Am 8. Juni 1967 wurde das "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" erlassen (Stabilitätsgesetz). Vor dem Hintergrund der Rezession 1966/1967 konkretisiert dieses Gesetz das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Es benennt vier Einzelziele, die Bund und Länder mit ihren wirtschaftlichen und finanzpolitischen Maßnahmen gleichzeitig erreichen sollen. Diese Ziele werden häufig als "magisches Viereck" der Wirtschafts- und Finanzpolitik bezeichnet, da sie sich nicht immer ohne Konflikte gleichzeitig realisieren lassen.
Das magische Viereck
Das "magische Viereck" umfasst laut Stabilitätsgesetz folgende Ziele:
- stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
- stabiles Preisniveau
- hoher Beschäftigungsstand
- außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Zur Messung dieser Ziele werden statistische Indikatoren herangezogen. So wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) zur Messung des Wirtschaftswachstums verwendet. Dieser und andere Indikatoren gehen ein in den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, der laut Stabilitätsgesetz auch eine nach vorn gerichtete Jahresprojektion der Bundesregierung auf der Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen enthält.
Die Daten zum "magischen Viereck" über die letzten 50 Jahre1 zeigen, dass die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland von deutlichen konjunkturellen Schwankungen geprägt war.
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
Gemessen an der Entwicklung des preisbereinigten BIP ist die deutsche Wirtschaft seit 1967 durchschnittlich um 2,4 % gewachsen. Dieses langfristige Wachstum ist geprägt von zyklischen Aufschwüngen und Rezessionen. Der stärkste wirtschaftliche Einbruch der vergangenen Jahre mit -5,9 % ereignete sich während der weltweiten Finanzmarktkrise im Jahr 2009, gefolgt von dem beachtlichen konjunkturellen Aufholprozess in den darauffolgenden Jahren. In der deutschen Nachkriegsgeschichte hatte es zuvor bereits fünf Rezessionsphasen mit negativen jährlichen Veränderungsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts gegeben und zwar in den Jahren 1967 (-0,3 %), 1975 (-0,9 %), 1982 (-0,4 %), 1993 (-1,0 %) und 2003 (-0,7 %).
Stabiles Preisniveau
Die Europäische Zentralbank definiert ihr Ziel für ein stabiles Preisniveau in der Eurozone als jährliche Inflationsrate von annähernd 2 %. In Deutschland schwankt die Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) erheblich und bewegt sich seit Einführung des Euros 1999 zwischen 0,3 % und 2,6 %. Auch in den anderen Jahren zwischen 1967 und 1999 war die Inflationsrate bis auf eine einzige Ausnahme im Jahr 1986 (-0,1 %) stets positiv. Die frühen 70er-Jahre waren mit Inflationsraten von über 5 % von einem starken Anstieg der Preise gekennzeichnet. Ab Mitte der 1990er-Jahre haben die Preisschwankungen merklich abgenommen.
Hoher Beschäftigungsstand
Die aufgezeigten konjunkturellen Schwankungen spiegeln sich auch in den deutschen Arbeitsmarktzahlen wider: Mit Ausnahme der Finanzkrise 2009 kam es während der anderen Rezessionen zu einem Rückgang der Beschäftigung und vermehrter Arbeitslosigkeit. Durch die deutsche Vereinigung kam es 1991 zu einem sprunghaften Anstieg der Erwerbstätigen um über 8 Millionen und in den Folgejahren zu steigenden Arbeitslosenquoten2. Die höchste Arbeitslosenquote gab es im Jahr 2005, seither ist sie rückläufig und hat sich bis heute nahezu halbiert. Entsprechend erreicht die Beschäftigung seit dem Jahr 2007 jährlich neue Höchststände. Im Jahr 2016 waren mehr als 43 Millionen Menschen erwerbstätig.
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Der hohe deutsche Außenhandelsüberschuss des vergangenen Jahrzehnts, welcher international häufig kritisiert wird, erreichte 2016 mit einem Überschuss von über 238 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. In den vergangenen 50 Jahren wurden nur in einigen wenigen Jahren nominal mehr Waren und Dienstleistungen importiert als exportiert: So war der deutsche Außenbeitrag insbesondere in den Jahren nach der deutschen Vereinigung nahezu ausgeglichen und in den Jahren 1991 und 1992 sogar negativ. Ein ähnliches Phänomen war während der beiden sprunghaften Ölpreisanstiege 1973 sowie 1979 und 1980 zu beobachten.
Finanzierungssaldo des Staates
Der Finanzierungssaldo des Staates, welcher nicht originärer Bestandteil des magischen Vierecks ist, jedoch einen zentralen Indikator der europäischen Stabilitätspolitik darstellt, war in den letzten 50 Jahren überwiegend geprägt durch ein Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte. Der im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte Grenzwert für das öffentliche Defizit im Verhältnis zum BIP von 3 % wurde vor allem Anfang der 2000er-Jahre mehrfach und zuletzt im Jahr 2010 in Folge der weltweiten Finanzmarktkrise überschritten (-4,2 %). Im Jahr 2016 erzielte Deutschland mit einem Finanzierungssaldo von über 26 Milliarden Euro zum dritten Mal in Folge einen Überschuss. In der deutschen Nachkriegsgeschichte gab es eine solch positive Serie der öffentlichen Haushalte zuletzt in den Jahren 1969 bis 1971.
Magisches Viereck heute
Eine stark diskutierte Frage ist, inwieweit sich diese auf die kurzfristige konjunkturpolitische Stabilisierung und Steuerung ausgerichteten Ziele auch heute noch als Zielgrößen der Wirtschaftspolitik eignen. Dazu tragen auch die geänderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bei, zum Beispiel die europäische Währungsunion. So ist ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht ebenso wie die Preisniveaustabilität auf nationaler Ebene nur noch begrenzt steuerbar. Stattdessen liegt der Fokus der europäischen Stabilitätspolitik zunächst auf stabilen Staatsfinanzen, auch wenn das 2011 eingeführte Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten (MIP) vermehrt wirtschaftspolitische Aspekte in den Blick nimmt. Außerdem gewinnen die ökologische und soziale Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns, die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie andere Fragen der Wohlfahrt immer mehr an Bedeutung.
Fußnoten
1: Bis 2017. Die Ergebnisse von 1967 bis 1970 (Früheres Bundesgebiet) sind wegen konzeptioneller und definitorischer Unterschiede nicht voll mit den Ergebnissen von 1970 bis 1991 (Früheres Bundesgebiet) und den Angaben ab 1991 (Deutschland) vergleichbar. Bei der VGR-Revision 2014 wurden zudem nur die Ergebnisse für Deutschland bis 1991 zurückgerechnet; Angaben vor 1991 für das frühere Bundesgebiet blieben dabei unverändert.
2: Gemessen als Anteil der Arbeitslosen an allen abhängigen Erwerbspersonen; Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.