Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Revisionen der VGR

Was versteht man unter einer Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR)?

Unter einer Revision der VGR versteht man die Überarbeitung der Ergebnisse durch Einbeziehung neuer Daten, neuer Statistiken und/oder neuer Methoden in das Rechenwerk. Neben den laufenden Revisionen ("current revisions"), die sich auf kleinere Korrekturen einzelner Quartale oder Jahre beziehen, gibt es in den VGR etwa alle fünf Jahre so genannte Generalrevisionen ("major revisions"). Bei diesen umfassenden Revisionen findet eine grundlegende Überarbeitung der gesamten VGR statt, die sich auf einen langen Zeitraum erstreckt. Die Ergebnisse von VGR-Generalrevisionen werden in der Regel zusammen mit den Ergebnissen für das zweite Quartal des jeweiligen Jahres veröffentlicht, also Ende August, meist im Rahmen einer Pressemitteilung mit zusätzlichen Hintergrundinformationen.

Die Ergebnisse der nächsten Generalrevision der VGR werden im Sommer 2024 veröffentlicht (für alle Quartale und Jahre zurück bis 1991).

Warum sind Generalrevisionen der VGR notwendig und auf welchem Regelwerk basieren sie?

Umfassende Generalrevisionen werden durchgeführt, um insbesondere

  • neue Konzepte, Definitionen, Klassifikationen und ähnliches in das Rechenwerk einzuführen;
  • neue Berechnungsmethoden anzuwenden;
  • neue, bislang nicht verwendete statistische Datenquellen einzuarbeiten;
  • die internationale Vergleichbarkeit zu erhöhen.

Diese Generalrevisionen erfolgen in der Regel alle fünf Jahre in international harmonisierter Form (zumindest innerhalb der EU), um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.

Das Regelwerk ESVG (Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union) 2010 legt detailliert die in den EU-Ländern anzuwendenden Konzepte, Definitionen, Klassifikationen und Verbuchungsregeln für die Aufstellung der VGR fest. Es ist Bestandteil einer europäischen Verordnung und daher für alle EU-Mitgliedstaaten unmittelbar rechtsverbindlich. Deutschland orientiert sich ausschließlich an diesem europäischen VGR-Regelwerk, das heißt es gibt keine eigenständige nationale Variante der VGR.

Das ESVG 2010 ist aus dem SNA (System of National Accounts) 2008 der Vereinten Nationen abgeleitet, so dass VGR-Daten grundsätzlich weltweit vergleichbar sind. Allerdings ist das SNA - anders als das ESVG - nicht rechtsverbindlich, sondern hat lediglich Empfehlungscharakter. Um bestmöglich die reale Wirtschaft abzubilden, werden die Methoden in unregelmäßigen Abständen komplett überarbeitet. Aktuell ist das SNA 2025 in der finalen internationalen Abstimmung, parallel laufen die Arbeiten für ein revidiertes ESVG, das im Rahmen der VGR-Revision 2029 implementiert werden soll.

Was ändert sich bei der VGR-Generalrevision 2024?

Im Rahmen der Generalrevision 2024 wird es keine weitreichenden methodischen Änderungen geben. Die im Jahr 2014 eingeführten internationalen VGR-Konzepte des ESVG 2010 gelten nach wie vor und werden sich erst mit der Generalrevision 2029 ändern.

Wichtige Revisionspunkte bei der Generalrevision 2024 sind unter anderem

  • die Integration aktualisierter Datenquellen, zum Beispiel Zensus 2022, und neuer Datenquellen, zum Beispiel Konjunkturstatistik im Dienstleistungsbereich
  • die Implementierung der neuen Klassifikation der privaten Konsumausgaben (COICOP 2018)
  • die Implementierung der Berechnungsregeln des aktualisierten europäischen Handbuchs zur Berechnung von Staatsdefizit und Schuldenstand (MGDD 2022), unter anderem zur Buchung staatlicher Garantien und Darlehen
  • die Reklassifizierung des ÖPNV und des Schienennetzes zum Sektor Staat
  • die konzeptionelle Überarbeitung von Modellrechnungen, unter anderem für die Schattenwirtschaft

Um Brüche in den Zeitreihen möglichst zu vermeiden, werden die Ergebnisse für Deutschland zurück bis 1991 neu berechnet. Zudem werden im Rahmen der Generalrevision die realen Ergebnisse auf ein neues Referenzjahr umgestellt (2020). Dies hat auf die Veränderungsraten der VGR-Ergebnisse jedoch keine Auswirkungen, da in den VGR die Berechnung der realen Größen immer auf den Preisen des jeweiligen Vorjahres erfolgt und nicht auf den Preisen eines festen Basisjahres.

Was änderte sich bei den letzten Generalrevisionen der VGR?

Revision 2019

Die im Rahmen der Revision 2019 eingeführten methodischen Neuerungen waren in Zahl und quantitativen Auswirkungen begrenzt, da die im Jahr 2014 eingeführten internationalen VGR-Konzepte des ESVG 2010 nach wie vor gelten.

Methodische Änderungen ergaben sich insbesondere durch die Umsetzung der Rundfunkanstalten in den Staatssektor und durch Änderung bei der Buchung der Versteigerungserlöse von Mobilfunklizenzen beim Staat. Darüber hinaus war die Revision 2019, wie alle umfassenden Revisionen in den VGR, mit einer gründlichen Überarbeitung des gesamten Rechenwerkes verbunden und wurde ebenfalls dazu genutzt, neue Datenquellen einzuarbeiten. Wichtige Änderungen gab es bei einigen externen Datenquellen, hier sind insbesondere die Ergebnisse der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank sowie der Arbeitsvolumenrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu nennen. Als neue Datenquelle der Statistik konnten vor allem die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 und die Arbeitskostenerhebung 2016 bei der Revision 2019 erstmals berücksichtigt werden.

Zudem wurden mit der Revision 2019 die realen Ergebnisse (Kettenindizes, Kettenvolumen) auf das neue Referenzjahr 2015 umgestellt. Auf die Veränderungsraten der VGR-Ergebnisse hatte dies keine Auswirkungen, da in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen die Berechnungen der realen Größen immer auf den Preisen des jeweiligen Vorjahres erfolgt und nicht auf den Preisen eines festen Basisjahres.

Revision 2014

Die VGR-Revision 2014 diente in erster Linie der europaweiten Einführung des neuen ESVG 2010, dass das bisherige ESVG 1995 ablöste.

Die Neuberechnung der VGR-Daten nach dem ESVG 2010 brachte eine Vielzahl von methodischen Änderungen mit sich.

Die quantitativ wichtigsten Änderungen waren die Behandlung von Forschung und Entwicklung sowie von militärischen Waffensystemen als Investitionen (statt als Vorleistungen).

Darüber hinaus war die Revision 2014, wie alle umfassenden Revisionen in den VGR, mit einer gründlichen Überarbeitung des gesamten Rechenwerkes verbunden und wurde ebenfalls dazu genutzt, neue Datenquellen einzuarbeiten. Zu nennen sind insbesondere die Ergebnisse des Zensus 2011, die in den VGR in der Erwerbstätigenrechnung sowie für die Berechnung der Wertschöpfung aus Wohnungsvermietung genutzt wurden.

Revision 2011

Die Revision im Jahr 2011 diente in erster Linie der Umstellung auf neue Wirtschaftszweig- und Güterklassifikationen (insbesondere die Wirtschaftszweigklassifikation NACE rev. 2 beziehungsweise WZ 2008). Bis dahin wurden die Ergebnisse der VGR noch nach der "Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003", kurz: WZ 2003, veröffentlicht. Wie bei Generalrevisionen üblich wurde außerdem das gesamte Rechenwerk überprüft und einige neue Datenquellen integriert.

Revision 2005

Bei der Revision im Jahr 2005 wurden hauptsächlich noch offene Punkte des ESVG 1995 umgesetzt, vor allem die Allokation der Bankdienstleistungen (FISIM) sowie die Berechnung der preisbereinigten Ergebnisse auf Vorjahrespreisbasis mit Verkettung. Im Mittelpunkt der Darstellung der preisbereinigten Ergebnisse stehen in Deutschland seither Kettenindizes sowie die daraus abgeleiteten Veränderungsraten und Wachstumsbeiträge. Die Saldengrößen Außenbeitrag und Vorratsveränderungen lassen sich preisbereinigt mit Vorjahrespreisen nur noch in Form von Wachstumsbeiträgen (zum Bruttoinlandsprodukt) darstellen.

Revision 1999

Die VGR-Revision 1999 diente in erster Linie der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995, kurz: ESVG 1995 und brachte eine Vielzahl von konzeptionellen Neuerungen mit sich. Davor galt das ESVG 1979.

Die quantitativ wichtigsten Änderungen resultierten aus dem neu abgegrenzten, erweiterten Investitionsbegriff und der Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Abschreibungen auf die gesamten Anlagegüter (Tiere ausgenommen).

Neben einer Vielzahl von Konzeptänderungen wurden auch Wirtschaftsbereiche und Sektoren sowie weitere Klassifikationen neu gegliedert. So löste beispielsweise die Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93) die WZ 79 ab. Es wurden teilweise auch neue Begriffe eingeführt (zum Beispiel Bruttonationaleinkommen, früher Bruttosozialprodukt).