Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Abstimmung des Bruttoinlandsproduktes

Was ist die Abstimmung des Bruttoinlandsproduktes?

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird in Deutschland auf zwei getrennten Wegen berechnet: Die Entstehungsrechnung (Produktionsansatz) ermittelt das Bruttoinlandsprodukt über die Bruttowertschöpfung der Produzenten und die Nettogütersteuern, während die Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) das BIP als Summe der privaten und staatlichen Konsumausgaben, der Investitionen und des Außenbeitrags bestimmt. Die Berechnungen erfolgen in beiden Ansätzen weitgehend voneinander getrennt und auf der Grundlage unterschiedlicher Datenquellen. In einem Wirtschaftskreislauf müssen die Werte der entstandenen und auf verschiedene Arten verwendeten Wirtschaftsleistung einander entsprechen. Daher werden die Ergebnisse der beiden Rechenansätze des BIP in einem mehrstufigen Abstimmungsprozess zusammengeführt. Die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts auf einem dritten Weg über die Verteilungsseite (Einkommensansatz) ist in Deutschland wegen der nur sehr lückenhaften Informationen über Unternehmensgewinne nicht vollständig möglich. Allerdings werden zur Plausibilisierung des Bruttoinlandsprodukts auch die Ergebnisse der Verteilungsrechnung herangezogen, etwa zur Bildung von makroökonomischen Kenngrößen.

Wie erfolgt die Abstimmung des Bruttoinlandsprodukts?

Die Abstimmung der Bruttoinlandsprodukt-Berechnungen lässt sich in die beiden Phasen makroökonomische Abstimmung und detaillierte Abstimmung unterteilen.
Zunächst ist der eigentlichen makroökonomischen Abstimmung ein Abgleich von Teilgrößen vorgelagert. Dabei werden Aggregate, die statistisch in einem besonders engen Zusammenhang stehen, bereits im Vorfeld der Abstimmung auf Kohärenz überprüft. Beispiele sind hier der Abgleich zwischen der Berechnung der Bauinvestitionen und der Berechnung der Produktionswerte für den Wirtschaftsbereich Baugewerbe oder der Abgleich der Ausgangswerte für den Einzelhandel zur Berechnung der Konsumausgaben der privaten Haushalte einerseits und für die Bruttowertschöpfung des Wirtschaftsbereichs Einzelhandel andererseits.

Die sich daran anschließende Abstimmung auf Makroebene dient dazu, die Rechenergebnisse für das BIP nach dem Entstehungs- und Verwendungsansatzes in einem kreislaufmäßigen System zusammenzuführen. Alle Aggregate des Bruttoinlandsprodukts werden für jedes Berichtsquartal sowohl bezüglich ihrer nominalen als auch ihrer preisbereinigten sowie saisonbereinigten Werte überprüft und in die Abstimmung einbezogen. Zeitliche Verläufe werden ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität der ökonomischen Zusammenhänge. Die neuen Ergebnisse werden mit den bisherigen Ergebnissen verglichen und die Differenzen analysiert. Darüber hinaus findet eine Rückkopplung mit Ergebnissen der Verteilungsrechnung wie mit dem sich ergebenden Betriebsüberschuss, der Lohnquote oder der Sparquote statt. Weitere makoökonomische Kennziffern wie Produktivität oder Lohnstückkosten werden analysiert und auf Kohärenz mit den Ergebnissen nach den VGR Sektoren überprüft.

Schließlich werden die Abstimmdifferenzen in der Zeitreihe analysiert und üblicherweise auf der Verwendungsseite auf die Vorratsveränderungen sowie auf der Entstehungsseite auf die Vorleistungen verteilt. Auf beiden Seiten gelten diese beiden Position jeweils als statistisch etwas weniger gut fundiert als andere Positionen.
Diese Prozedur wird bei jeder Bruttoinlandsprodukt-Berechnung gesondert durchgeführt, beginnend bei den ersten vorläufigen vierteljährlichen BIP-Berechnungen (30 Tage nach Quartalsende) beziehungsweise der ersten vorläufigen Jahresrechnung im Januar des Folgejahres, über die regulären vertieften Jahresberechnungen (erstmals nach 18 Monaten ab der Erstveröffentlichung) bis hin zu den in mehrjährlichen Abständen durchgeführten Generalrevisionen, bei denen Rückrechnungen für längere Zeitreihen durchgeführt werden. Im Zuge dieser Berechnungszyklen stehen immer präzisere Daten zur Verfügung und die Qualität der VGR-Ergebnisse wird sukzessive verbessert.

Für die detaillierte Abstimmung wird auf die jährlichen Aufkommens- und Verwendungstabellen zurückgegriffen, die wichtige Erkenntnisse für einzelne Gütergruppen und Wirtschaftszweige liefern. Sie zeigen auf einer sehr tiefen Berechnungsebene die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Produktion der Güter und ihrer Endverwendung. Die Tabellen werden organisatorisch getrennt von dem jährlichen oder vierteljährlichen Bruttoinlandsprodukt ermittelt und ermöglichen es, durch ihren tieferen Blick in das Wirtschaftsgeschehen, Inkohärenzen in der BIP-Rechnung zu beseitigen. Die Komplexität ihrer Erstellung führt allerdings dazu, dass sie für das jeweilige Berichtsjahr mit einem Zeitverzug zur Verfügung stehen und daher erst bei den nachfolgenden regelmäßigen Überarbeitungen der Bruttoinlandsprodukt-Ergebnisse zum Einsatz kommen.

Zusätzlich wird bei der Erstellung der Konten für alle volkswirtschaftlichen Sektoren eine weitere Prüfung der vollständigen Systemkohärenz durchgeführt. Es handelt sich um eine Kontrolle, in der analysiert wird, ob der Wirtschaftskreislauf widerspruchsfrei geschlossen ist. Die Erstellung eines vollständigen Satzes von Sektorkonten zeigt, ob Entstehungs-, Verwendungs-, Verteilungs- und Finanzierungsrechnung nach volkswirtschaftlichen Sektoren zueinander stimmig sind oder ob Inkohärenzen bestehen, die noch ausgeräumt werden müssen.
Eine wichtige Möglichkeit der Kontrolle nach Wirtschaftszweigen eröffnen die Ergebnisse der Erwerbstätigenrechnung. Diese Rechnung wird von zahlreichen, regelmäßigen, oft monatlichen Quellen gespeist und dient insbesondere für die Entstehungsrechnung als zusätzliche Kontrollmöglichkeit, speziell bezüglich der Entwicklungen in den verschiedenen Wirtschaftszweigen und nach Sektoren.

zur detaillierten Methodenbeschreibung "ESA 2010 methods and sources for the German GNI and its components - Edition 2021" (nur in englischer Version verfügbar)