Bevölkerung Bevölkerungsentwicklung in Ost- und Westdeutschland zwischen 1990 und 2022: Angleichung oder Verfestigung der Unterschiede?

Die Deutsche Vereinigung am 3. Oktober 1990 löste vor allem in Ost­deutschland starke demografische Veränderungen aus. Rück­läufige Geburtenzahlen, Abwanderung überwiegend junger Menschen in die westlichen Bundes­länder, sowie steigende Lebens­erwartung beschleunigten die demografische Alterung der ost­deutschen Bevölkerung. In West­deutschland haben dagegen die stärkere Zu­wanderung aus dem Ausland sowie die Zuzüge aus den neuen Bundes­ländern die Alterung verlangsamt. Trotz deutlicher Annäherung sind auch nach mehr als 30 Jahren deutscher Vereinigung typische demografische west­deutsche beziehungsweise ostdeutsche Entwicklungs­muster erkennbar.

Altersaufbau West- und Ostdeutschland

Steigende Bevölkerungszahl im Westen und Bevölkerungsrückgang im Osten Deutschlands

Zum Zeitpunkt der deutschen Einheit im Jahr 1990 lebten in West­deutschland (hier: früheres Bundesgebiet ohne Berlin-West) rund 62 Millionen Menschen. Es waren viermal so viele wie in den ost­deutschen Bundesländern (ohne Berlin) mit ihren damals circa 15 Millionen Ein­wohnenden. Während die Bevölkerung im Westen Deutschlands zwischen 1990 und 2022 um 10 % auf 68 Millionen gewachsen ist, nahm sie im gleichen Zeitraum im Osten um 15 % auf 12,6 Millionen ab. Damit lebten 2022 in West­deutschland mehr als fünfmal so viele Menschen wie in den ost­deutschen Bundesländern. Diese unterschiedlichen Entwicklungen resultieren aus Veränderungen der Bevölkerung durch Wanderungs­bewegungen, Geburten und Sterbefälle.

Nach Westdeutschland wandern mehr Menschen aus dem Ausland zu als nach Ostdeutschland

Die Bundes­republik ist zwischen 1991 und 2022 durch den positiven Wanderungs­saldo, also die Differenz zwischen Zuzügen nach und Fortzügen aus Deutschland, um etwa 10,7 Millionen Menschen gewachsen. Lässt man Berlin außer Acht, betrug die Netto-zuwanderung aus dem Ausland in diesem Zeit­raum im Osten rund 1,2 Millionen Personen. Im Westen war der Wanderungs­gewinn mit knapp 8,9 Millionen Personen etwa siebenmal so groß.

Auch im Jahr 2022 war die Nettozuwanderung im Westen mit 1 145 000 Personen höher als im Osten mit 221 000 Personen. Der Westen hatte mit 2 163 000 Zuzügen stärker von der Außenwanderung profitiert . Im Osten lagen die Zuzüge bei 337 000 Personen.

Die anfangs starke Abwanderung von Ost nach West kehrte sich um

Im Zeit­raum von 1991 bis 2022 wanderten rund 1,2 Millionen Menschen mehr von Ost nach West als umgekehrt. Etwa die Hälfte dieser starken Ab­wanderung geht auf die ersten zehn Jahren seit der Wieder­vereinigung zurück: Bis zum Jahr 2000 verließen im Saldo etwa 611 000 Personen den Osten in Richtung West­deutschland. In den folgenden zehn Jahren bis 2010 wanderten im Saldo noch rund 553 000 Menschen von Ost nach West. In den 2010er Jahren verlangsamte sich diese Entwicklung deutlich mit einem Abwanderungs­saldo von Ost gegenüber West von insgesamt rund 52 000 Personen zwischen 2011 und 2022. Seit 2017 wandern erstmals in der Geschichte der Bundes­republik jährlich etwas mehr Menschen von den west­deutschen Bundes­ländern in den Osten als von Ost nach West.

Der Abwanderungs­verlust für den Osten ist insbesondere auf die Abwanderung von Personen im jüngeren und mittleren Lebens­alter zurück­zuführen: Im Saldo verlor der Osten seit der Wieder­vereinigung insgesamt mehr als 731 000 Person in der Alters­gruppe bis 25 Jahre an den Westen, zwischen 25 bis 65 Jahren rund 491 000 Personen. Wanderungen von Seniorinnen und Senioren machen nur einen geringen Anteil an den Ost-West-Wanderungen aus (rund 6 000 Personen).

Im Westen und im Osten ist die Zahl der Sterbefälle höher als die Zahl der Geborenen

In beiden Teilen Deutschlands starben zwischen 1990 und 2022 jeweils gut 2 Millionen mehr Menschen als - Kinder geboren wurden. Dies entsprach einem durch­schnittlichen jährlichen Bevölkerungs­rückgang von 1 Menschen pro 1 000 Personen in West­deutschland und von 4 Menschen pro 1 000 Personen in Ost­deutschland. In Deutschland insgesamt betrug das kumulierte Geburten­defizit 4,6 Millionen Personen.

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Die bevölkerungsrelevanten Veränderungen sind hier nicht vollständig abgebildet, da insbesondere die Wanderungen von und nach Berlin nicht enthalten sind.

Alterung schreitet im Osten schneller voran

Im gesamten Land ist die Bevölkerung älter geworden: Zwischen 1990 und 2022 ist der Anteil der unter 20-Jährigen von rund 22 % auf 19 % gesunken, während der Anteil der Senioren (65 Jahre und älter) von 15 % auf 22 % gestiegen ist. Allerdings schreitet diese Entwicklung im Osten schneller voran. 1990 war die Bevölkerung im Osten jünger als im Westen: Der Anteil der unter 20-Jährigen betrug 25 % im Osten und 21 % im Westen (jeweils ohne Berlin), während die ab 65-Jährigen im Osten 14 % und im Westen 15 % der Bevölkerung stellten. Im Zeitverlauf hat sich dieses Verhältnis umgekehrt: 2022 war im Osten der Anteil der unter 20-Jährigen mit 18 % geringer als im Westen mit 19 %. Zugleich war im Osten der Anteil der ab 65-Jährigen mit 27 % höher als im Westen (21 %).

Anteil der ausländischen Bevölkerung ist im Osten deutlich niedriger als im Westen

Während Ende 1990 im Westen 5 Millionen Ausländerinnen und Ausländer lebten (8 % der Bevölkerung), lag die Ausländerzahl im Osten bei 112 000 (1 %). Die ausländische Bevölkerung ist seit der deutschen Vereinigung überall gestiegen, Unterschiede bleiben jedoch bestehen: So stellt die ausländische Bevölkerung Ende 2022 im Westen 16 % (10,6 Millionen Menschen) und im Osten 7 % (908 000 Menschen) der Bevölkerung dar. Die unterschiedlichen Migrationsverläufe im Osten und im Westen sind auch in der Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung sichtbar: Der Anteil der Staats­angehörigen aus Gastarbeiter­ländern (einschließlich aktueller EU-Mitglieder) an der ausländischen Bevölkerung liegt Ende 2022 im Westen mit 34 % deutlich höher als im Osten (10 %). Auch der Anteil der EU-Bürgerinnen und -Bürger ist im Westen höher als im Osten (39 % bzw. 29 %), wobei dieser Unterschied vor allem auf die ehemaligen Gastarbeiterländer Spanien, Italien, Griechenland und Kroatien zurückzuführen ist. Dagegen sind im Osten Staats­angehörig­keiten aus Asien (32 %), vor allem aus Fluchtländern (Syrien, Afghanistan) häufiger als im Westen (20 %). Die unterschiedlichen Migrations­geschichten spiegeln sich auch in der Aufenthalts­dauer wider: Während 19 % der im Westen lebenden Ausländerinnen und Ausländern bereits 30 Jahre und länger in Deutschland waren, sind es im Osten lediglich 3 %.

Berlin liegt zwar im Osten Deutschlands, weist aber eine besondere Bevölkerungsstruktur und -entwicklung auf

Nach dem Auf und Ab der 1990er Jahre verzeichnete Berlin seit 2005 eine kontinuierliche Bevölkerungs­zunahme. Ende 2022 war seine Bevölkerung mit 3,7 Millionen um rund 7 % größer als 1990 (3,4 Millionen Personen). Zu dieser Bevölkerungszunahme haben haupt­sächlich Zugewinne aus den Wanderungen über die Grenzen Deutschlands (+669 000 Personen) sowie aus den westlichen Bundes­ländern (insgesamt +171 000) beigetragen. Zugleich verlor Berlin 265 000 Menschen durch Abwanderung in die neuen Bundes­länder (insbesondere nach Brandenburg) sowie 75 000 Menschen durch den Überschuss an Sterbe­fällen gegenüber den Geburten. In Bezug auf die Migrations­geschichte weist Berlin mehr Ähnlich­keiten mit West­deutschland als mit dem Osten Deutschlands auf.

Trotz Annäherung im Geburtenverhalten sind im Osten öfter und jüngere Mütter anzutreffen als im Westen

Im vereinigten Deutschland wurden zwischen 1990 und 2022 insgesamt 24,7 Millionen Kinder geboren. Die meisten von ihnen kamen in Westdeutschland zur Welt. Lediglich 3,3 Millionen oder 13 % Babys stammen aus den ostdeutschen Bundesländern. Anfang der 1990er Jahren, während des gravierenden Geburtenrückgangs, wurde im Osten nur jedes zehnte Kind geboren. Erst seit Mitte der 2000er Jahre hat sich die Geburtenrate in Ost und Westdeutschland angeglichen.

Zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung waren Mütter bei der Geburt des ersten Kindes im Osten mit durchschnittlich 23 Jahren deutlich jünger als im Westen (etwa 27 Jahre). Im Jahr 2022 hat sich diese Differenz auf ein Jahr reduziert: 30 Jahre im Westen gegenüber 29 Jahre im Osten.

In der Verbreitung der Kinderlosigkeit bestehen jedoch nach wie vor deutliche Unter­schiede. Der Anteil der Frauen ohne eigene Kinder an allen 45- bis 49-Jährigen war 2022 in West­deutschland mit 20 % immer noch deutlich höher als in Ost­deutschland (14 %), obwohl seit der Vereinigung die Kinder­losigkeit im Osten schneller als im Westen anstieg.

Die Geburten von nicht verheirateten Eltern sind heute zwar in Ost und West stärker verbreitet als 1990, die Unterschiede sind aber nach wie vor deutlich ausgeprägt. Die nicht­ehelichen Geburten waren 2022 im Osten mit 55 % fast doppelt so oft anzutreffen als im Westen (30 %). 1990 betrug ihr Anteil an allen Geburten jeweils 35 % und 10 %.

Die Lebenserwartung der Ostdeutschen hat sich schnell an das westdeutsche Niveau angenähert

Betrachtet man die Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt zwischen 1991/1993 und 2020/2022 in Ostdeutschland und in Westdeutschland als jeweilige Einheit, so wird eine rasche Angleichung der Lebens­erwartung in beiden Landes­teilen deutlich. In den Jahren 1991/1993 war noch eine Differenz von 3,2 Jahren bei Männern und von 2,3 Jahren bei Frauen zugunsten Westdeutschlands festzustellen. Innerhalb von sieben Jahren bis zur Sterbetafel 1998/2000 hat sich die Differenz für Männer auf 1,6 Jahre halbiert und für Frauen auf 0,6 Jahre sogar noch stärker reduziert. Bis Ende der 2000er-Jahre ist die Differenz in der Lebenserwartung für Männer weiter zurück­gegangen. Danach hat sie sich zunächst auf einem Niveau von 1,3 bis 1,5 Jahren stabilisiert. Bei den Frauen war seit der Sterbetafel 2012/2014 kaum noch eine Differenz zwischen Ost und West feststellbar. Es wird angenommen, dass Verbesserungen in der medizinischen Versorgung und den allgemeinen Lebens­bedingungen im Osten zu dieser raschen Anpassung beigetragen haben. Im Zuge der Corona-Pandemie, von der die ostdeutschen Bundesländer stärker betroffen waren, ist die Differenz in der Lebens­erwartung zwischen Ost und West wieder angewachsen. Bezogen auf den Dreijahreszeitraum 2020/2022 betrug die Differenz in der Lebens­erwartung bei Geburt zugunsten Westdeutschlands 1,8 Jahre bei Männern und 0,2 Jahre bei Frauen.

Etwa seit Ende der 2000er-Jahre ist der Anstieg der Lebens­erwartung nicht mehr so deutlich wie in den vorangegangenen Jahrzehnten. Hierzu haben außergewöhnlich starke Grippewellen sowie ab März 2020 auch die Corona-Pandemie beigetragen. Im Vergleich der Sterbetafeln 2017/2019 und 2020/2022 ist die Lebens­erwartung bei Geburt sogar etwas zurückgegangen. Hauptgrund hierfür waren die außergewöhnlich hohen Sterbefall­zahlen in den Wellen der Pandemie – in Ostdeutschland war dieser Effekt deutlicher als in West­deutschland.

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Zahl der Eheschließungen sank seit 1990 im Westen wie im Osten Deutschlands deutlich

In den ostdeutschen Bundesländern gab es 1991 nur noch halb so viele standes­amtliche Trauungen wie 1990. Im Westen Deutschlands dagegen verringerte sich die Zahl der Ehe-schließungen zunächst nur leicht und war dann Mitte der 2000er Jahre um ein Viertel niedriger als 1990. 2022 gab es im Osten fast die Hälfte und im Westen fast ein Viertel weniger Eheschließungen als 1990.

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland etwa 391 000 standesamtliche Eheschließungen registriert. Das waren etwa 33 000 oder 9 % mehr als 2021. Zuvor war die Zahl der Ehe­schließungen während der Pandemiejahre 2020 und 2021 deutlich zurück­gegangen. Die Zunahme der Eheschließungen war im Vergleich zum Vorjahr im Osten mit 9 % und Westen mit 10 % ähnlich hoch wie in Deutschland insgesamt. Besonders deutlich war der Anstieg im Februar 2022 mit 85 % mehr Ehe­schließungen als im Vorjahres­monat. Die Anzahl der Ehe­schließungen übertraf somit mit 22 530 auch den Wert vom Februar 2020 (21 500) kurz vor Beginn der Corona-Pandemie. Dazu haben offenkundig die besonderen Hochzeits­daten 02.02.2022 und 22.02.2022 beigetragen. Im April 2022 haben 25 % mehr Paare geheiratet als im Vorjahres­monat.

Der Anteil der Paare, die gemeinsame Kinder mit in die Ehe bringen, ist auch 30 Jahre nach der Vereinigung immer noch sehr unterschiedlich. Im Westen hatten etwa 5 % der Paare bei der Heirat gemeinsame voreheliche Kinder, im Ostern dagegen über 25 %. Dieser Anteil stieg in beiden Teilen Deutschlands an. 2022 brachten im Westen fast 19 % und im Osten nahezu 38 % der Eltern gemeinsame Kinder mit in die Ehe. Der im Osten doppelt so hohe Anteil entspricht dem dort auch fast doppelt so hohen Anteil an außerhalb einer Ehe geborenen Kindern wie im Westen.

Ehescheidungen: Im Westen wie im Osten haben etwa die Hälfte der geschiedenen Paare minderjährige Kinder

Im Osten Deutschlands brachen die Scheidungs­zahlen nach der deutschen Vereinigung regelrecht ein. Dazu trug neben allen anderen Veränderungen auch bei, dass zum 3. Oktober 1990 das bis dahin westdeutsche Scheidungs­recht eingeführt wurde, das in der Regel eine Scheidung erst nach einer Trennung von einem Jahr vorsieht. Bereits nach einigen Jahren nahmen die Ehescheidungen im Osten wieder zu und erreichten zwischen 2000 und 2005 nochmals das Niveau von 1990. Im Westen Deutschlands dagegen hatten die Ehescheidungen nach 1990 zu­genommen und Anfang der 2000er Jahre ihr Maximum erreicht. In beiden Landes­teilen ging die Zahl der Ehescheidungen dann wieder zurück. Derzeit werden in den westlichen Bundes­ländern etwa 4 % weniger Ehen geschieden als 1990 und im Osten Deutschlands etwa 40 % weniger.

Sowohl im Westen als auch im Osten haben heute etwa die Hälfte der geschiedenen Paare minderjährige Kinder. Mitte der Neunziger­jahre waren dagegen im Osten bei 70 % der Ehe­scheidungen minderjährige Kinder betroffen.

Methodische Hinweise

Der Beitrag enthält Daten zu Geburten, Wanderungen, Sterbefällen sowie aus der Bevölkerungsfortschreibung und dem Ausländerzentralregister.

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Zahlen zur ausländischen Bevölkerung und deren demografischer Struktur aus mehreren Quellen. Mehr Informationen zu den Unterschieden dieser Datenquellen finden Sie hier.