Sterbefälle und Lebenserwartung Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland

seit 1871/1881

Der langfristige Trend der steigenden Lebenserwartung in Deutschland kann rückblickend seit der Veröffentlichung der ersten allgemeinen Sterbetafel von 1871/1881 für das damalige Reichsgebiet beobachtet werden. Damals betrug die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Männer 35,6 Jahre und für Frauen 38,5 Jahre. Nach den Ergebnissen der allgemeinen Sterbetafel 2021/2023 liegen diese Werte bei 78,2 Jahren (Männer) beziehungsweise 83,0 Jahren (Frauen). Die Lebenserwartung bei Geburt ist in Deutschland damit heute mehr als doppelt so hoch wie sie vor etwa 150 Jahren in den damaligen Grenzen war. Der rasche Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ist zu einem großen Teil auf die starke Verringerung der Säuglingssterblichkeit zurückzuführen. Als weitere maßgebliche Gründe für den Anstieg der Lebenserwartung gelten der Fortschritt in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegener materieller Wohlstand.

Anstieg der Lebenserwartung hat sich verlangsamt

Etwa seit Ende der 2000er-Jahre ist der Anstieg der Lebenserwartung nicht mehr so deutlich wie in den vorangegangenen Jahrzehnten. Hierzu haben außergewöhnlich starke Grippewellen sowie ab März 2020 auch die Coronapandemie beigetragen. Im Vergleich der Sterbetafeln 2017/2019 und 2021/2023 ist die Lebenserwartung bei Geburt sogar etwas zurückgegangen. Hauptgrund hierfür waren die außergewöhnlich hohen Sterbefallzahlen in den Wellen der Pandemie.

Bis zur Sterbetafel 2006/2008 stieg die Lebenserwartung bei Geburt über Jahrzehnte hinweg im jährlichen Durchschnitt sehr kontinuierlich an – um rund 0,3 Jahre bei den Männern und um etwa 0,2 Jahre bei den Frauen. Danach ist die Lebenserwartung bei Männern und Frauen jährlich um durchschnittlich etwa 0,1 Jahre angestiegen, bevor es im Zuge der Pandemie zum leichten Rückgang kam.

Lebenserwartung der Älteren ebenfalls gestiegen

Auch für ältere Personen ist die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen. Ein 65-jähriger Mann konnte 1871/1881 mit einer weiteren durchschnittlichen Lebenserwartung von 9,6 Jahren rechnen, eine gleichaltrige Frau mit 10,0 weiteren Lebensjahren. Nach der Sterbetafel 2021/2023 betragen diese Werte für 65-jährige Männer 17,5 Jahre und für gleichaltrige Frauen 20,8 Jahre. Vor allem Gesundheitsschäden aus dem Zweiten Weltkrieg haben bei Männern zwischen den Sterbetafeln 1949/1951 und 1970/1972 für einen Rückgang der ferneren Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren gesorgt. Auch die Lebenserwartung der Frauen im Alter von 65 Jahren ist vor 1970 teilweise rückläufig gewesen. Ab der Sterbetafel 1970/1972 stieg die fernere Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren jedoch für beide Geschlechter für lange Zeit nahezu durchgängig an. In den letzten Jahren gab es im Zuge der Coronapandemie in diesem Altersbereich einen erkennbaren Rückgang.

Verlauf der altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten

Die Werte für die Lebenserwartung werden in mehreren Schritten aus den altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten berechnet. Aus deren Verlauf ist abzulesen, dass das Sterberisiko der Männer über alle Altersjahre hinweg größer ist als das der Frauen. Die Sterbewahrscheinlichkeit von Säuglingen ist, verglichen mit den nachfolgenden Lebensjahren, relativ hoch. Nach dem ersten Lebensjahr vermindern sich die Sterbewahrscheinlichkeiten dann zunächst mit zunehmendem Alter, wobei das Minimum etwa um das Alter zehn herum erreicht wird. Bis zu diesem Alter sind bereits viele Kinderkrankheiten überstanden und die Bewegungsfreiheit der Kinder - mit den damit verbundenen Gefahren - ist noch begrenzt. Anschließend steigt das Sterberisiko etwa bis zum Alter von 20 Jahren stärker an und erreicht um dieses Alter herum sein vorläufiges Maximum. Der markante Anstieg des Sterberisikos beim Übergang ins Erwachsenenalter ist höchstwahrscheinlich zurückzuführen auf die erhöhte Teilnahme der älteren Kinder und auch schon motorisierten Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen am Straßenverkehr. Die Verlaufsform der altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten wird manchmal auch entsprechend als "Unfallhügel" bezeichnet. Bei den jungen Männern ist dieser etwas deutlicher ausgeprägt als bei den jungen Frauen. Nach Erreichen des vorläufigen Höchstwertes liegen die geschlechtsspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten dann zunächst gleichsam nahezu auf einem Plateau. Nach dem Alter von 25 Jahren geht das beschriebene Plateau bei beiden Geschlechtern in einen ansteigenden Verlauf über. Die jeweilige Höhe der Säuglingssterblichkeit wird bei beiden Geschlechtern jedoch erst im sechsten Lebensjahrzehnt wieder übertroffen. In den folgenden Altersjahren steigen die Sterbewahrscheinlichkeiten dann weiter an.

Entwicklung der Lebenserwartung in Ost und West

Betrachtet man die Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt zwischen 1991/1993 und 2021/2023 in Ostdeutschland und in Westdeutschland als jeweilige Einheit, so wird eine rasche Angleichung der Lebenserwartung in beiden Landesteilen deutlich. In den Jahren 1991/1993 war noch eine Differenz von 3,2 Jahren bei Männern und von 2,3 Jahren bei Frauen zugunsten Westdeutschlands festzustellen. Innerhalb von sieben Jahren bis zur Sterbetafel 1998/2000 hat sich die Differenz für Männer auf 1,6 Jahre halbiert und für Frauen auf 0,6 Jahre sogar noch stärker reduziert. Bis Ende der 2000er-Jahre ist die Differenz in der Lebenserwartung für Männer weiter zurückgegangen. Danach hat sie sich zunächst auf einem Niveau von 1,3 bis 1,5 Jahren stabilisiert. Bei den Frauen war seit der Sterbetafel 2012/2014 kaum noch eine Differenz zwischen Ost und West feststellbar. Es wird angenommen, dass Verbesserungen in der medizinischen Versorgung und den allgemeinen Lebensbedingungen im Osten zu dieser raschen Anpassung beigetragen haben. Im Zuge der Coronapandemie, von der die ostdeutschen Bundesländer stärker betroffen waren, ist die Differenz in der Lebenserwartung zwischen Ost und West wieder angewachsen. Bezogen auf den Dreijahreszeitraum 2021/2023 betrug die Differenz in der Lebenserwartung bei Geburt zugunsten Westdeutschlands 1,7 Jahre bei Männern und 0,1 Jahre bei Frauen.

Höchste Lebenserwartung in Baden-Württemberg

Die Differenzierung der Lebenserwartung nach Bundesländern in der Sterbetafel 2021/2023 ergibt deutliche Unterschiede in der Lebenserwartung bei Geburt von bis zu 4,1 Jahren bei den Männern und bis zu 2,0 Jahren bei den Frauen. Baden-Württemberg ist hierbei schon seit längerer Zeit das Bundesland mit der höchsten Lebenserwartung bei Geburt: Aktuell liegen die Werte für Männer hier bei 79,6 Jahren und für Frauen bei 83,9 Jahren. Die niedrigste Lebenserwartung bei Geburt haben nach den Ergebnissen der Sterbetafel 2021/2023 mit 75,5 Jahren Männer in Sachsen-Anhalt und mit 81,9 Jahren Frauen im Saarland.

Methodische Hinweise

Die hier genannten Ergebnisse stammen aus sogenannten Periodensterbetafeln. Zur Berechnung wird die Zahl der Gestorbenen in einem bestimmten Zeitraum (aktuell die der Jahre 2021 bis 2023) ins Verhältnis zur Bevölkerung in den einzelnen Altersjahren gesetzt und daraus in mehreren Schritten die Lebenserwartung abgeleitet. Es handelt sich demnach um eine Momentaufnahme der Sterblichkeitsverhältnisse der gesamten Bevölkerung für die jeweils betrachteten Kalenderjahre. Die Berechnung enthält keine Annahmen dazu, wie sich die Lebenserwartung künftig entwickeln wird. Die Lebenserwartung Neugeborener gibt an, wie lange sie den aktuellen Überlebensverhältnissen entsprechend durchschnittlich leben würden. Statistisch gesehen erreichen 65-Jährige ein höheres Lebensalter als Neugeborene, weil Sterberisiken vor dem Alter von 65 Jahren nicht mehr einberechnet werden müssen. Komplette Sterbetafeln mit allen Detailinformationen werden von der amtlichen Statistik für Dreijahreszeiträume bereitgestellt, um übliche Schwankungen zwischen einzelnen Jahren zu einem gewissen Grad auszugleichen. Für einzelne Kalenderjahre stehen Werte zur Lebenserwartung ab dem Jahr 2011 für ausgewählte Altersstufen ebenso zur Verfügung.

Die Sterbetafel 2021/2023 ist eine sogenannte allgemeine Sterbetafel. Im Gegensatz zu den laufend veröffentlichten Sterbetafeln basieren die allgemeinen Sterbetafeln auf den Ergebnissen eines Zensus – in diesem Fall den Ergebnissen des Zensus 2022. Unter zusätzlichem methodischen Aufwand werden sie zudem von Zufallsschwankungen im Altersverlauf befreit und im geglätteten Verlauf dargestellt. Aufgrund der Nutzung von möglichst genauen Bevölkerungsdaten und des zusätzlichen methodischen Aufwands bieten allgemeine Sterbetafeln eine hohe Verlässlichkeit und eignen sich beispielsweise in besonderem Maße als Grundlage für Vorausberechnungen der altersspezifischen Sterblichkeit.

Die Korrekturen der Bevölkerungszahlen im Rahmen des Zensus 2022 führen zu einer geringeren Lebenserwartung bei Geburt bei beiden Geschlechtern in der allgemeinen Sterbetafel 2021/2023. Sie ist um etwa 0,1 Jahre geringer, als eine Berechnung basierend auf der bisherigen Bevölkerungsfortschreibung des Zensus 2011 für den gleichen Zeitraum.

Weiterführende Informationen

Ausführliche Ergebnisse und Zeitreihen sind in einem Statistischen Bericht veröffentlicht. Die grundsätzliche Methodik zur Berechnung von Periodensterbetafeln wurde zuletzt in einem Methodenbericht ausführlich beschrieben. Ein weiterer Bericht beschreibt die grundsätzliche Methodik hinter der Erstellung von allgemeinen Sterbetafeln – zusätzliche Informationen liefert dieser Artikel in Wirtschaft und Statistik.