Mehr als ein Viertel des Energieverbrauchs entfällt auf die Industrie
Die Industrie ist in Deutschland neben den privaten Haushalten und dem Verkehrssektor der wichtigste Endverbraucher von Energie. Über ein Viertel der Energiemenge wird in Deutschland in der Industrieproduktion eingesetzt.
Grafik (1)
Chemische Industrie benötigt die meiste Energie
Betrachtet man die verschiedenen Industriezweige, so zeigt sich, dass die Herstellung von chemischen Erzeugnissen die meiste Energie erfordert. Auch die Metallerzeugung und -bearbeitung benötigt große Mengen an Energie. Außerdem besteht in der Kokerei und Mineralölverarbeitung ein hoher Energiebedarf sowie bei der Herstellung von Glas, Glaswaren, Keramik, Papier und Pappe. Die nachfolgende Grafik zeigt den Energieverbrauch der industriellen Wirtschaftszweige.
Grafik (2)
Das Referenzjahr für die Analyse der energieintensiven Wirtschaftszweige in diesem Beitrag ist das Jahr 2021. Dieses Jahr eignet sich gut für diesen Zweck, weil die Daten aus dem Jahr 2021 die Wirtschaftsstruktur vor dem Beginn des Angriffskriegs Russlands im Februar 2022 abbilden. Veränderungen dieser Strukturen nach 2021 können aus den Tabellen im Anhang dieses Beitrags entnommen oder in unserer Datenbank "GENESIS-Online" eingesehen werden.
Energieintensive Industriezweige benötigen drei Viertel des industriellen Energieverbrauchs
Die fünf Industriebranchen mit dem stärksten Energieverbrauch benötigten 2021 zusammen 77 % des gesamten industriellen Energieverbrauchs, während ihr Anteil an der industriellen Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten nur 17 % betrug. In diesen Branchen waren im Jahr 2021 knapp eine Million Beschäftige (929 599) in 6 986 Industriebetrieben in Deutschland tätig. Die fünf hier als energieintensiv bezeichneten Branchen haben im Vergleich zu Industriezweigen mit einem Energieverbrauch unter der Abschneidegrenze einen besonders hohen Energiebedarf im Verhältnis zu ihrer Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten1.
Grafik (3)
Erdgas ist wichtigster Energieträger in der Industrie
Auf den Energieträger Erdgas entfällt fast ein Drittel des industriellen Energieverbrauchs. Erdgas wird in der Industrie vor allem für die Erzeugung von Prozesswärme benötigt, teilweise auch für die eigene Stromerzeugung. Daneben wird Erdgas in der Industrie auch als Rohstoff eingesetzt. Auch Strom, Mineralöle und Kohle spielen in der Industrieproduktion eine wichtige Rolle.
Grafik (4)
Den höchsten Anteil am gesamten Erdgasverbrauch der Industrie hatte 2021 die Chemische Industrie mit 36,7 %. Erdgas wird hier nicht nur energetisch genutzt, sondern dient zu mehr als einem Drittel als Ausgangsstoff für die Herstellung von chemischen Produkten wie etwa Düngemitteln. Auf Platz zwei der Industriezweige mit dem höchsten Erdgasverbrauch lagen 2021 die Nahrungs- und Futtermittelhersteller mit einem Anteil von 11,0 % am gesamten Erdgasverbrauch der Industrie. Dort wird Erdgas als Energieträger beispielsweise für die Milchverarbeitung benötigt. Weitere 10,5 % des Erdgasverbrauchs entfallen auf Metallerzeugung und -bearbeitung. Darunter fällt beispielsweise die Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen. Den vierten Platz (9,2 %) belegte der Wirtschaftszweig Herstellung von Glas, Glaswaren, Keramik und Verarbeitung von Steinen und Erden, worunter auch die Herstellung von Zement, Kalk und gebranntem Gips fällt.
Produktion energieintensiver Industriezweige seit Anfang 2022 fast durchgehend rückläufig
Um die monatliche Entwicklung der Industrieproduktion im Bereich der energieintensiven Wirtschaftszweige zu beobachten, erstellt das Statistische Bundesamt einen Produktionsindex für energieintensive Industriezweige.
Grafik (5)
Der Produktionsindex für energieintensive Industriezweige gibt an, wie sich der preisbereinigte Produktionswert in den energieintensiven Industriezweigen entwickelt hat. Eine Zeitreihe ab 2005 zum Produktionsindex für energieintensive Industriezweige bietet GENESIS-Online. Die Grafik stellt die Entwicklung ab dem Basisjahr 2021 dar. Wie sie zeigt, war der pandemiebedingte Einbruch der Produktion im Frühjahr 2020 in den energieintensiven Industriezweigen deutlich schwächer als in der gesamten Industrie. Im weiteren Verlauf lag der Produktionsindex der energieintensiven Industriezweige ab März 2021 oberhalb des Index der Gesamtindustrie.
Seit Anfang 2022 ist die Produktion energieintensiver Industriezweige 2022 fast durchgehend gefallen und hat sich damit deutlich schwächer entwickelt als die Gesamtindustrie. Von Februar 2022 bis Juli 2023 ist die Produktion der energieintensiven Industriezweige um 16,7 % zurückgegangen. Im selben Zeitraum verzeichnete die gesamte Industrieproduktion lediglich einen Rückgang von 2,8 %. Die energieintensiven Industriezweige scheinen mit ihren deutlichen Rückgängen die Entwicklung der gesamten Industrieproduktion nicht maßgeblich zu beeinflussen.
Der Produktionsindex für die energieintensiven Industriezweige wird als gewichteter Mittelwert der industriellen Produktionsindizes für die betreffenden Wirtschaftszweige berechnet1 . Die Gewichte entsprechen der relativen Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten im Basisjahr 20211.
Nr. der Klassifikation1 | Industriezweig | Anteil an Industrie2 in % |
---|---|---|
1: Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). 2: Anteile entsprechen der Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten im Basisjahr 2021. | ||
C 20 | Herstellung von chemischen Erzeugnissen | 7,5 |
C 24 | Metallerzeugung und -bearbeitung | 3,5 |
C 23 | Herstellung von Glas,-waren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden | 3,0 |
C 17 | Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus | 1,7 |
C 19 | Kokerei und Mineralölverarbeitung | 1,2 |
Insgesamt | 16,9 |
Grafik (6)
Entwicklung der Erzeugerpreise von Energieträgern
Grafik 7 zeigt die Entwicklung der Erzeugerpreise der Energieträger. Um die Verträge mit Energielieferanten zu repräsentieren, die für die Betriebe in den energieintensiven Wirtschaftszweigen relevant sind, wurden für Erdgas nur Preise bei Abgabe an Unternehmen mit einer Höhe von etwa 500 000 MWh pro Jahr berücksichtigt. Für den elektrischen Strom wird die Abgabe an Sondervertragskunden einbezogen, die in der Regel eine Abnahme von etwa 200 000 kWh pro Jahr haben. Für Mineralöl werden Erzeugerpreise für Heizöl bei der Abgabe an den Großhandel herangezogen. Im Bereich der Kohle werden Erzeugerpreise des Braunkohleabbaus verwendet.
Betrachtet man die Entwicklung der Erzeugerpreise für diese Energieträger, so zeigt sich bis Mitte des Jahres 2021 eine vergleichsweise moderate Entwicklung. Zum Ende des Jahres 2021 begannen die Preise für Erdgas, Strom und Mineralöl jedoch anzusteigen. Mit dem Beginn der Sanktionen gegen Russland ab März 2022 wurde dieser Preisanstieg deutlich verstärkt. Besonders die Preise für Erdgas, dem für die Industrie wichtigsten Energieträger, kletterten zwischenzeitlich auf über 700 Indexpunkte Strom auf über 400 Indexpunkte.
Grafik (7)
Im gleichen Zeitraum zeigt sich eine Abkopplung der Produktion in den energieintensiven Wirtschaftszweigen von der Produktionsentwicklung in den anderen Industriezweigen. Die energieintensiven Industriebetriebe sind von den starken Anstiegen der Energiepreise stärker betroffen als die Betriebe anderer Industriezweige und die Produktion wurde in diesem Sektor deutlich heruntergefahren.
Seit Ende des Jahres 2022 bis Juli 2023 sind daraufhin starke Rückgänge der Erzeugerpreise der Energieträger erkennbar. Gegenüber ihren Höchstständen haben sie sich mehr als halbiert und liegen mittlerweile wieder in etwa auf dem Niveau vom Herbst 2021. Diese Entspannung der Energiepreise für die Industrie scheint sich jedoch nicht auf die Produktion in den energieintensiven Industriezweigen auszuwirken. Deren Entwicklung ist im Jahr 2023 nach wie vor von Rückgängen geprägt, während sich die Industrieproduktion insgesamt stabilisieren konnte.
Fazit
Die Industrie benötigt über ein Viertel der gesamten in Deutschland verwendeten Energiemenge. Energieintensive Industriezweige sind vor allem die Chemie- und Metallindustrie. Aber auch die Kokerei und Mineralölverarbeitung sowie die Herstellung von Glas, Keramik, Papier und Pappe sind energieintensive Wirtschaftsbereiche. Diese Industriezweige benötigten 2021 rund 77 % der gesamten industriell genutzten Energiemenge, schufen 17 % der Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten und beschäftigten rund 15 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie. Erdgas ist der bei weitem wichtigste Energieträger und wird nicht nur energetisch genutzt, sondern insbesondere in der Chemieindustrie auch als Rohstoff eingesetzt. Der neue Produktionsindex für energieintensive Industriezweige gibt die Produktionsentwicklung in diesen Bereichen der Wirtschaft an. Mit dem Beginn der Sanktionen gegen Russland ab März 2022 sind zwei Entwicklungen zu beobachten. Die energieintensive Produktion ist deutlich zurückgegangen und hat sich damit von der Produktionsentwicklung in anderen Industriezweigen entkoppelt. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum die Erzeugerpreise von Energieträgern deutlich angestiegen. Nach der ersten Hälfte des Jahres 2023 sind die Erzeugerpreise der Energieträger zwar historisch noch auf einem hohen Niveau, haben sich aber insgesamt maßgeblich entspannt. Diese Entspannung des Energiemarktes in der Industrie zeigt sich allerdings bis Juli 2023 noch nicht in der Entwicklung der Produktion der energieintensiven Industriezweige. Diese verzeichnen nach wie vor starke Produktionsrückgänge, während sich die gesamte Industrieproduktion weiter stabilisieren konnte.
- Industrie und energieintensive Industriezweige
- Energieintensive Industriezweige gegenüber dem Vormonat
- Energieintensive Industriezweige gegenüber dem Vorjahresmonat
Fußnoten
1 Für weitere Information zur Berechnung und Entwicklung des Produktionsindex für energieintensive Industriezweige siehe Vogel, Lukas/Neumann, Malte/Linz, Stefan: Berechnung und Entwicklung des neuen Produktionsindex für energieintensive Industriezweige. In: WISTA Wirtschaft und Statistik. Ausgabe 2/2023, Seite 39 bis 48.
2 Zur Berechnung des industriellen Produktionsindex insgesamt siehe Linz, Stefan/Möller, Hans-Rüdiger/Mehlhorn, Peter: Umstellung der Konjunkturindizes im Produzierenden Gewerbe auf das Basisjahr 2015. In: WISTA Wirtschaft und Statistik. Ausgabe 2/2018, Seite 49 bis 65.