Verdienste Verdienstunterschiede, Mindestlohn und der interaktive Gehaltsvergleich - der Podcast

In welcher Beziehung stehen Verdienststatistik und Mindestlohn? Und was hat unser Gehaltsrechner zu bieten? Unser Podcast mit Dr. Anja Überschaer, Expertin für Verdienste im Statistischen Bundesamt, und Stefan Körzell, DGB-Vorstandmitglied und Mitglied der Mindestlohnkommission.

Hier geht es zum Podcast vom 17. Februar 2021:

Verdienstunterschiede, Mindestlohn und der interaktive Gehaltsvergleich

Ob "Verdienste", "Gehälter" oder "Löhne" – ganz gleich wie man sie nennt: Für den Großteil der Beschäftigten sind sie die wichtigste Einkommensquelle, für die meisten Unternehmen sind sie ein bedeutender Kostenfaktor. Verdienste tragen meist entscheidend dazu bei, welchen Lebensstil man/frau sich leisten kann und wie hoch später einmal die Rente ausfallen wird. Aber wie ist die Verbindung zum Mindestlohn? Und warum hat das Statistische Bundesamt einen eigenen Gehaltsrechner entwickelt? Darüber sprechen wir nun mit Frau Dr. Anja Überschaer, Expertin für Verdienste beim Statistischen Bundesamt, und Herrn Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund und Mitglied der Mindestlohnkommission.

Frau Überschaer, welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Verdienste – aus Sicht der Statistik?

Anja Überschaer: Zunächst einmal können wir generell die Entwicklung der Verdienste anhand des Nominallohnindex darstellen. Dazu schauen wir uns die Veränderung des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes für Vollzeit-, Teilzeitkräfte und geringfügig beschäftigte Personen im Vergleich zum Vorjahr an. Im Jahr 2020 sind die Nominallöhne das erste Mal gesunken seit Beginn der Zeitreihe 2008. Das liegt vor allem am verstärkten Einsatz der Kurzarbeit, wobei man dazu auch sagen muss: Das Kurzarbeitergeld, das zumindest den Einkommensverlust der betroffenen Personen teilweise wieder auffängt, wird hier nicht berücksichtigt. Das liegt daran, dass es sich dabei nicht um eine Zahlung der Unternehmen handelt, sondern um eine Transferleistung des Staates.

Und aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und -nehmer, Herr Körzell?

Stefan Körzell: Das Jahr 2020 war natürlich für Arbeitnehmerinnen und -nehmer von der Pandemie gezeichnet. Die Frage ist: Wir haben in Deutschland sehr viel mit Kurzarbeit machen können, eine Leistung, die den Arbeitnehmerinnen und -nehmern zusteht. Andere Länder haben mit massenhaften Entlassungen reagiert. Aber das hat natürlich auch Druck auf die Löhne gebracht. Wir gehen davon aus, und das zeigen auch die bisherigen Zahlen, dass die Nominallöhne im letzten Jahr auch leicht zurückgegangen sind. Aber nicht in dem Maße, in dem es in anderen Ländern der Fall ist. Hierzu haben wir in Deutschland einfach die besseren Instrumente.

Bevor wir zum Thema Mindestlohn kommen, zunächst ein kurzer Überblick über die Verdienststatistik für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer:
Die Verdienststatistik liefert unter anderem Informationen zu Stunden-, Monats- und Jahresverdiensten. Diese sind untergliedert nach betrieblichen, jobspezifischen und persönlichen Eigenschaften wie Branche, Beruf oder Ausbildung der beschäftigten Person. Hierzu melden künftig 58 000 repräsentativ ausgewählte Betriebe Angaben zu ungefähr 7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Daten werden dabei aus der Lohnabrechnung der Betriebe gewonnen, was eine hohe Datenqualität gewährleistet. Die Verdienststatistik liefert verlässliche und aktuelle Informationen für alle Interessierten, aber im Speziellen auch für Journalistinnen und Journalisten. Sie dient als Basis für politische Entscheidungen – wie zum Beispiel zum Mindestlohn – oder liefert die Berechnungsgrundlage für den Gender Pay Gap.

Herr Körzell, wie hilfreich ist ein Instrument wie der Mindestlohn in Krisenzeiten wie diesen?

Stefan Körzell: Der Mindestlohn ist nicht nur in Krisenzeiten wie diesen hilfreich, sondern der Mindestlohn war hilfreich bei der Einführung 2015, weil der Abwärtstrend bei den Löhnen gestoppt werden musste. Wir hatten ja unverschämt niedrige Stundenlöhne. Das hat der Mindestlohn geschafft, deshalb ist der Mindestlohn unserer Meinung nach eine Erfolgsgeschichte, ein Erfolgsmodell. Es hat ganze Regionen bei den Löhnen nach oben gezogen, wenn man vor allem an Ostdeutschland denkt. Und wenn man vor allem daran denkt, dass Frauen davon profitieren. Vielleicht einmal eine Zahl: Ein Cent Mindestlohnerhöhung bringt 20 Millionen Euro mehr Kaufkraft bei den Arbeitnehmerinnen und -nehmern über das Jahr. Das macht deutlich, wie wichtig der Mindestlohn ist. Und er hat in der letzten Periode und in der letzten Zeit auch antizyklisch gewirkt, weil vor allem durch den Konsum die Binnenkonjunktur gestützt worden ist. Deshalb ist der Mindestlohn so wichtig.

Herr Körzell, Sie sind Mitglied der Mindestlohnkommission, die über die Entwicklung des Mindestlohns entscheidet. Aktuell beträgt der Mindestlohn 9,50 Euro. Wie kam man zu diesem Ergebnis und welche Rolle spielt die Verdienststatistik bei der Berechnung?

Stefan Körzell: Selbstverständlich ist für uns auch ein Orientierungspunkt die Verdienststatistik, die wir uns anschauen. Das ist auch im Gesetz so verankert: Zu schauen, wie entwickeln sich im Allgemeinen die Löhne? Und dazu kommt dann die Gesamtabwägung, die die Mindestlohnkommission in ihrer Gesamtheit zu treffen hat. Also einmal der Orientierungspunkt "Verdienststatistik" und auf der anderen Seite die Frage der Gesamtabwägung. Zur Gesamtabwägung gehört: Wie wirkt er auf einzelne Branchen und wie wirkt der Mindestlohn auf einzelne Regionen? Sorgt er dafür, dass Leute in Beschäftigung bleiben? Und dann muss die Mindestlohnkommission den entsprechenden Vorschlag auch machen. Im Hinblick darauf, dass es auch darum geht, ihn aus Sicht der Gewerkschaften armutsfest zu machen, haben wir die Entscheidung getroffen, ihn im nächsten Jahr auf 10,45 Euro zu erhöhen.

Frau Überschaer, wer profitiert überhaupt vom Mindestlohn?

Anja Überschaer: 2019 wurden in Deutschland 1,4 Millionen Jobs mit Mindestlohn vergütet. Das ist vor allem in den Bereichen Gastronomie, Einzelhandel, Taxiunternehmen oder auch bei Unternehmen, die persönliche Dienstleistungen anbieten wie Friseursalons, der Fall. Aber auch Personen, die sogenannten Minijobs nachgehen, profitieren häufig vom Mindestlohn.

Immer wieder wird öffentlich über die Unterwanderung gesetzlich vorgeschriebener Verdienste diskutiert, zuletzt etwa am Beispiel der Fleischindustrie. Bildet die Statistik das Verdienstniveau womöglich nicht für alle Branchen realistisch ab – und wie gehen Sie damit um, Frau Überschaer?

Anja Überschaer: Anhand von Durchschnittswerten lassen sich solche Fälle natürlich nicht ermitteln, aber wir haben ja auch die Einzeldaten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorliegen – zukünftig sogar für alle Beschäftigte eines Unternehmens. Und wir erfassen durchaus auch die Verdienste unter dem Mindestlohn. Das kann in manchen Fällen sogar legal sein, zum Beispiel bei manchen Ausbildungsstellen oder Praktikumsverhältnissen. Aber grundsätzlich lassen sich branchenbezogene Aussagen zu den Verdiensten unter dem Mindestlohn durchaus tätigen. Was wir aber nicht machen ist, die Zahlen von einzelnen Betrieben zu veröffentlichen, weil das unter die Geheimhaltungspflicht fällt.

Frau Überschaer, würde das Statistische Bundesamt ein Unternehmen melden, wenn auffällt, dass es zum Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn umgangen hat?

Anja Überschaer: Nein, das würden wir nicht tun. Das unterliegt unserer Geheimhaltungspflicht und das ist auch nicht die Aufgabe der amtlichen Statistik. Unser Ziel ist es, die Realität abzubilden. Zwar sind die Unternehmen gesetzlich verpflichtet, wahrheitsgetreue Angaben zu liefern. Aber es ist natürlich trotzdem nicht gesagt, dass ein solches Vorgehen – wenn wir einzelne Betriebe melden würden, die unter dem Mindestlohn zahlen – nicht dazu führen würde, dass es zu Fälschungen kommen würde und zu Falschangaben. Und das wäre nicht in unserem Sinne. Denn wir wollen die Verdienste in Deutschland akkurat erfassen und abbilden.

Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen für Tarifverhandlungen gibt es gerade in Pandemiezeiten, Herr Körzell?

Stefan Körzell: In Pandemiezeiten ist es natürlich sehr schwierig, öffentlich Druck zu machen. Das heißt: Arbeitgeber, die sich weigern, mit uns in ernsthafte Verhandlungen zu treten und die jetzige Situation ausnutzen, um für den Arbeitgeber einen Vorteil herauszuholen, indem man Löhne massiv absenkt. Dort ist es im Moment schwieriger, Menschen zu mobilisieren und mit Aktionen nach außen deutlich zu machen, wofür wir stehen. Aber ich möchte durchaus sagen: Wir haben auch im Rückblick auf die Situation im öffentlichen Dienst im letzten Jahr die Situation, dass die Gewerkschaften sehr kreativ gewesen sind in Flächentarifverhandlungen, aber auch wenn es darum ging, Branchentarifverträge durchzusetzen, beziehungsweise einzelne betriebliche Vereinbarungen zu treffen. Mit sehr intelligenten und sehr aufmerksam machenden Aktionen wurde deutlich gemacht, dass trotz der Pandemie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gerechten Anteil an dem Erwirtschafteten verdient haben.

Frau Überschaer, wie zeitnah und wie genau kann die Statistik die Corona-Folgen auf die Verdienste überhaupt abbilden?

Anja Überschaer: Künftig können wir sehr aktuelle Zahlen liefern. Anhand der Aprildaten sind ab diesem Jahr Veröffentlichungen noch im gleichen Jahr möglich. Diese jährlichen Veröffentlichungen beinhalten vor allem detaillierte Informationen zur Struktur der Verdienste. Und ab 2022 können wir auch die Entwicklung der Verdienste monatlich darstellen. Das erlaubt uns dann auch schnelle Konjunkturanalysen, da wir die Veränderungen der Verdienste unmittelbar erfassen können. Beispielsweise sind die Daten für den Januar dann bereits im März da. Gerade in Zeiten wie jetzt, in denen wir Pandemie haben, wird der Mehrwert von aktuellen Informationen noch einmal besonders deutlich. Was die Genauigkeit betrifft: Da wir die Daten anhand von Lohnabrechnungen der Betriebe beziehen, liegt eine sehr hohe Datenqualität vor.

Frau Überschaer, was gibt es künftig für erweiterte Möglichkeiten in der Verdienststatistik?

Anja Überschaer: Ein zentrales Merkmal der Verdiensterhebung ist ihre hohe Aktualität. Diese ermöglicht es uns, Erwerbsverläufe abzubilden oder auch eine schnellere Ermittlung, was die Mindestlohnanpassung angeht. So können wir auch Fragestellungen nachgehen wie: Führt denn eine Erhöhung des Mindestlohns dazu, dass Personen, die in Minijobs arbeiten, aus dem Arbeitsmarkt verdrängt werden? Oder im Gegenteil: Führt es sogar dazu, dass es mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt? Da wir zukünftig auch über deutlich mehr Einzeldatensätze verfügen, da wir dann alle Beschäftigte eines Betriebes erfassen, sind uns belastbare Ergebnisse trotz einer recht tiefen Aufschlüsselung möglich. Beispielsweise, wenn wir uns die durchschnittlichen Verdienste für einzelne Ausbildungsabschlüsse und Wirtschaftszweige anschauen wollen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten wir haben, umso spezifischer können wir auch die Auswertung gestalten und desto passgenauer sind auch die Informationen, die wir bereitstellen können.

Herr Körzell, in Bezug auf die Verdienststatistik: Welchen zusätzlichen Datenbedarf haben Sie für die Zukunft?

Stefan Körzell: Vielleicht noch mal eins zu dem gerade Gesagten: Durchaus ist es das Ziel des Tarifautonomiestärkungsgesetzes 2014 bei der Verabschiedung im deutschen Bundestag gewesen, dass sogenannte Minijobs in sogenannte "ordentliche Jobs" umgewandelt werden. Deswegen ist die Frage, ob der Mindestlohn insgesamt geringfügige Beschäftigung verdrängt, eigentlich im Sinne des Gesetztes. Der Gesetzgeber wollte, dass aus Minijobs ordentliche Arbeitsplätze werden. Das ist in Teilen auch gelungen und wir erleben ja gerade jetzt in der Pandemie, dass Minijobber und Minijobberinnen die großen Verlierer in dieser Krise sind. Sie bekommen kein Arbeitslosengeld, die Dienstleistungsbetriebe sind zu und sie verzichten gänzlich auf ihr Einkommen, unabsichtlich. Das andere ist die Statistik, die wir uns natürlich wünschen: Der Streit, den wir in der Mindestlohnkommission haben um die richtigen Zahlen – wie viele Menschen bekommen den gesetzlichen Mindestlohn nicht? – ist so alt wie die Mindestlohnkommission. Wir haben auf der einen Seite die Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes und auf der anderen Seite haben wir die Zahl des SOEPs. Die Zahlen gehen weit auseinander. Hier wünschen wir uns natürlich eine Treffgenauigkeit, mit der auch besser gearbeitet werden kann. Aber wir wollen durchaus auch mehr Zahlen, die es branchenspezifisch aufgliedern und die auch für Regionen noch einmal deutlich machen, wie die Lohnentwicklung ist. Weil das ist etwas, das durchaus auch genutzt werden kann für Tarifverhandlungen, die für ganze Länder stattfinden oder für Branchen, um dort auch anschließend in der Lohnfindung die Differenzierungen beziehungsweise die Entwicklungen besser abzubilden.

Einen ersten Überblick über die Verdienste nach Berufen kann man sich auch mit dem interaktiven Gehaltsvergleich des Statistischen Bundesamtes verschaffen. Das Onlinetool steht seit Oktober 2020 interessierten Nutzerinnen und Nutzern unter destatis.de/gehaltsvergleich zur Verfügung. Die interaktive Webanwendung ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern, sich auf Basis von individuellen Angaben wie Beruf, Branche oder Ausbildung ein Gehalt schätzen zu lassen. Die Anwendung basiert zunächst auf den Daten der Verdienststrukturerhebung 2018. Ab 2021 wird der Gehaltsvergleich auf Basis der neuen Verdiensterhebung jährlich aktualisiert. Dadurch können auch aktuelle Gehaltsinformationen widergespiegelt werden.

Frau Überschaer, für wen ist der Gehaltsrechner gedacht?

Anja Überschaer: Der Gehaltsrechner richtet sich vorwiegend an Privatpersonen, die zum Beispiel gerade in den Arbeitsmarkt eintreten und dann in der Bewerbung eine Gehaltsvorstellung angeben müssen und dafür gerne eine Orientierung hätten. Aber auch Personen, die sich schon länger im Beruf befinden und in Gehaltsverhandlungen gehen möchten und dafür gerne einen Anhaltspunkt hätten. Aber auch an Personen, die einfach aus Interesse wissen möchten, was sie mit einem bestimmten Profil verdienen können.

Und warum hat das Statistische Bundesamt einen Gehaltsrechner entwickelt und was ist das Besondere daran?

Anja Überschaer: Unser Haus arbeitet ja stets daran, zielgerichtete Angebote zu schaffen und dazu gehört eben auch der interaktive Gehaltsvergleich. Dazu muss man wissen, dass die Verdienstangaben bisher lediglich in Tabellenform vorgelegen haben. Das heißt: Sie waren zum einen nicht so komfortabel zu bedienen und zum anderen waren sie in der Tiefe der Gliederung beschränkt. Genau da setzt der Gehaltsrechner an. Er soll zum einen durch die benutzerfreundliche Oberfläche Informationen leichter zugänglich machen und zum anderen durch die Möglichkeit, ein persönliches Profil angeben zu können, eben auch den Bedarf an individuellen Verdienstinformationen decken. Durch diese Kombination – komfortable Bedienung einerseits und individuelle Gehaltsschätzung andererseits – wollen wir einer möglichst breiten Gruppe von Nutzerinnen und Nutzern Verdienstinformationen zugänglich machen. Darüber hinaus ist diese Anwendung besonders attraktiv dadurch, dass sie eine hochwertige Datenbasis und eine transparente Methodik hat. Und sie ist natürlich auch kostenlos und anonym.

Wie haben Sie das hinbekommen?

Anja Überschaer: Wir haben ja nicht nur Daten einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorliegen, sondern auch personen- und stellenbezogene Merkmale wie das Alter der Person oder die Größe des Unternehmens. Und daran lässt sich zum einen ermitteln, welche Merkmale den Verdienst beeinflussen und zum anderen auch, wie groß der Einfluss dieser einzelnen Merkmale ist. Und diese Informationen können wir dann nutzen, um eben die Verdienste für ein bestimmtes Profil zu schätzen. Alles was die Nutzerinnen und Nutzer dann noch tun müssen, ist in der Anwendung ihr persönliches Profil zu hinterlegen. Dafür erhalten sie dann eine persönliche Verdienstschätzung.

Frau Überschaer: Bleibt die aktuelle auch die vorerst endgültige Version oder sind noch weitere Verbesserungen geplant?

Anja Überschaer: Wir haben in dieser Version jetzt das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer zur Betaversion genutzt, um die Anwendung zu überarbeiten und zu verbessern. Stand jetzt sind noch die 2018er-Angaben in der Anwendung hinterlegt. Von daher ist es jetzt unsere höchste Priorität, diese anhand der Verdiensterhebung 2021 zu aktualisieren. Zukünftig können wir die Anwendung dann mit den Aprildaten des jeweils laufenden Jahres bestücken und somit aktuelle Gehaltsinformationen abbilden. Darüber hinaus konnten wir bisher aufgrund einer zu geringen Datenbasis bei manchen Kombinationen von Beruf und Branche keine verlässlichen Ergebnisse ausgeben. Das heißt, da wurden den Nutzerinnen und Nutzern dann angezeigt, dass für diese Kombination nicht genügend Daten vorliegen. Und da sind wir zuversichtlich, dass wir durch das Mehr an Einzeldatensätzen, das wir dann haben werden – weil wir dann eben alle Arbeitnehmerinnen und -nehmer eines Betriebes erfassen – auch noch mehr Kombinationen für Beruf und Branche anbieten können.

Herr Körzell, wie bewerten Sie den Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamtes, ist er aus ihrer Sicht ein brauchbares Werkzeug?

Stefan Körzell: Er kann zumindest für Beschäftigte hilfreich sein, wenn es darum geht, sich bei Bewerbungsgesprächen zu orientieren: Wie sind denn die Gehaltsvorstellungen? Das andere ist: Der Gehaltsrechner macht auch deutlich, an welcher Stelle welche Löhne gelten und in welchen Branchen. Und man sieht, dass in Brachen, in denen die Tarifbindung hoch ist, die Löhne andere sind wie in Branchen, die nicht tarifgebunden sind. Und ich hoffe, dass das die Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind dazu bewegt, vorwiegend in Betriebe zu gehen, in denen eine Tarifbindung vorliegt. Weil wir sagen: Betriebe, die den Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten, der Löhne austragen, das ist nicht in Ordnung. Die Tarifbindung ist eine sichere Gewähr dafür, dass das nicht gemacht wird. Das kann auch eine Orientierung sein für uns.

Frau Überschaer, Herr Körzell, vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Einblicke in die vielfältigen Themen rund um die Verdienste. Wenn Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, mehr über das Thema erfahren möchten, besuchen Sie unsere Webseite www.destatis.de. Dort finden sie auch weitere aktuelle Statistiken zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Mein Name ist Martin Richling, vielen Dank fürs Zuhören.