Experimentelle Statistiken Smart Business Cycle Statistics mit Satellitendaten

EXSTAT

Stand: 30.12.2019

Nutzen von Satellitendaten für die amtliche Statistik

Satelliten können Gebiete der Erdoberfläche großflächig und in kurzen zeitlichen Abständen aufnehmen. Der technische Fortschritt hat die Verfügbarkeit sowie die Auswertung von Satellitendaten maßgeblich beeinflusst und verbessert, sodass auch für die amtliche Statistik Satellitendaten zunehmend eine Rolle spielen (s. auch WISTA-Aufsatz "Neue Wege der Geodatennutzung"). In Machbarkeitsstudien untersucht das Statistische Bundesamt – in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) – daher das Potenzial von Satellitendaten für die amtliche Statistik.

Mit dem durch Eurostat finanzierten Projekt "Smart Business Cycle Statistics"(SBCS) wurde geprüft, inwiefern sich Satellitenbilder für die Erstellung von Konjunkturzyklen eignen. Die Kernidee dahinter ist, dass manche wirtschaftlichen Aktivitäten optische Spuren hinterlassen, die auf Satellitenbildern erkennbar sind und damit beziffert werden können: So lassen sich z.B. durch das Schiffsaufkommen und die Zahl der Container in Häfen Rückschlüsse auf Handelsaktivitäten und Produktionszahlen ziehen. Die Belegung der Parkplätze vor Geschäften könnte einen Aufschluss über die aktuellen Umsatzzahlen geben. Der Vorteil bei der Verwendung von Satellitenbildern ist deren schnelle Verfügbarkeit. Darüber hinaus bietet der Einsatz von Satellitenbildern den Vorteil, dass Analysen über administrative Grenzen hinweg möglich sind und grenzüberschreitende Wirtschaftsräume ohne methodische Brüche erfasst werden können. Die Idee ist, anhand der Satellitenbilder einen Nowcasting-Indikator zu erstellen, der umfassende Veränderungen frühzeitig identifizieren kann.

Datenquelle

Die Grundlage des Projekts SBCS bilden Satellitenbilder. Das von der Europäischen Union betriebene Copernicus Programm ermöglicht einen umfassenden und kostenfreien Zugang zu Satellitendaten. Mit der Entwicklung hochauflösender optischer Systeme hat sich zusätzlich ein kommerzieller Markt etabliert, bei dem Unternehmen Satelliten betreiben und deren Daten verkaufen. Somit stehen Nutzerinnen und Nutzern von Satellitenbildern Daten verschiedener Auflösungen und Häufigkeiten zur Verfügung (vgl. Tab. 1).

Tabelle 1: Auswahl an Satellitenbildern
SatellitAuflösungPreis pro km2 1 Häufigkeit 2
Worldview 0,3 m25 $täglich
Pleiades0,7 m25 $täglich
Spot-71,5 m 4,75 $täglich
Rapid Eye6,5 m 1,28 $täglich
Sentinel-210 m kostenfrei5 Tage
Landsat 830 m kostenfrei16 Tage

1: Preise als Richtwerte bei Apollo Mapping
2: Theoretisch erzielbare Häufigkeit unter optimalen Bedingungen; Quellen: Apollo Mapping und ESA

Für eine valide Berechnung der Konjunkturzyklen ist eine hohe Qualität der Satellitenbilder entscheidend. Für eine lückenlose Datenreihe, müssen die Bilder in einer engen Zeitabfolge für den gleichen Standort verfügbar sein. Da der europäische Raum im jährlichen Durchschnitt zu 55 % unter einer Wolkendecke liegt, ist die Nutzung einer Vielzahl von Satellitenbildern erschwert (King et al. 2013). Hinzu kommen weitere negative Einflüsse durch ungünstigen Schattenwurf und diffuse Beleuchtung.

Ein ebenfalls maßgeblicher Faktor ist die Auflösung der Bilddaten. Die räumliche Auflösung von Satellitendaten gibt dabei an, wie viele Meter einem Pixel entsprechen. Für eine computergestützte, automatisierte Objekterkennung müssen die Bilder in entsprechender Auflösung vorliegen, um die gewählten Objekte fehlerfrei zu erkennen. Containerschiffe lassen sich aufgrund ihrer Größe, dem weiträumigen Abstand zwischen den Schiffen und dem einfarbigen Hintergrund (Wasser) leicht identifizieren und können auch bei Auflösungen von 10 m ausgewertet werden. Die kleineren Container und Autos, mit der deutlich engeren Anordnung in Hafenanlagen und auf Parkplätzen erfordern hingegen eine Auflösung von unter einem Meter (vgl. Abb. 2).

Für die Auswertung dieser Objekte muss auf kommerzielle Satellitenbilder zurückgegriffen werden, die eine deutlich höhere Auflösung bieten. Allerdings werden hochaufgelöste Satellitenbilder nicht kontinuierlich aufgenommen, sondern müssen bei den Betreibern extra in Auftrag gegeben werden (Tasking). Hiermit verbunden sind höhere Kosten und im Falle von Konkurrenzanfragen längere Wartezeiten für die Bereitstellung der Daten. Liegen die Satellitenbilder in ausreichender Auflösung vor, beansprucht deren Verarbeitung zudem eine beachtliche Menge an Speicher- und Rechenkapazität, welche mit zunehmender Auflösung weiter ansteigt.

Projektverlauf

Zu Projektbeginn mussten Objekte gewählt werden, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage einer Region zulassen und sich als Indikatoren eignen. Diese Indikatoren sollen, insbesondere bei großen Veränderungen, frühzeitige Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung einer Region ermöglichen. Als Indikator könnte beispielsweise die Anzahl von Schiffen in Binnengewässern herangezogen und als Hilfsvariable für den Handel abgebildet werden. Die Gesamtzahl an geparkten Autos vor Einzelhandelsgeschäften lässt vor allem bei großen Veränderungen wiederum frühzeitige Rückschlüsse über die Entwicklung der Einnahmen und Kaufkraft in einem Gebiet zu.

Im Anschluss müssen Satellitenbilder mit entsprechend hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung für das Untersuchungsgebiet beschafft werden. Die testweise genutzten, kostenfreien Bilder der von Copernicus betriebenen Sentinel-2 Mission reichen dafür jedoch nur bedingt aus. Die Auflösung ist für einen Algorithmus zur automatisierten Erkennung von kleinen Objekten wie Autos oder Containern zu gering.

Das Start-up SpaceKnow wurde beauftragt, ein Testgebiet mit hochaufgelösten Bildern zu analysieren. Langfristig soll eine solche Auswertung aber innerhalb des Statistischen Bundesamts stattfinden.

Anschließend müssen die gewonnenen Datenreihen gewichtet und zusammengeführt werden, um somit die wirtschaftliche Aktivität abzubilden. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da nur Daten für das Testgebiet erworben wurden und die Abstände der Zeitreihen teilweise sehr lang sind. Dies liegt einerseits an den Wetterbedingungen und andererseits daran, dass hochauflösende Bilder in ausreichender Qualität selten verfügbar sind.

Fazit

Zum jetzigen Zeitpunkt bilden die teilweise großen zeitlichen Lücken zwischen verwertbaren Aufnahmen die größte Herausforderung bei der Analyse von Wirtschaftsaktivitäten durch Satellitenbilder. Diese können bisher nur in bedingtem Maße durch die Nutzung kommerzieller Satellitendaten geschlossen werden. Mit fortschreitender Entwicklung der Satelliten ist in absehbarer Zeit aber mit einem deutlichen Rückgang der Kosten bei höherer Frequenz an Bildern zu rechnen. Einen entscheidenden Beitrag leistet dazu die Entwicklung sogenannter Kleinstsatelliten: Die vergleichsweise kostengünstigen, maximal 30 kg schweren Satelliten erlauben eine deutlich schnellere Umlaufzeit und liefern dank moderner Kameraobjektive hochauflösende Bilder. Es ist daher zu erwarten, dass die genannten Herausforderungen in naher Zukunft leichter zu bewältigen sind und Satellitenbilder für die Analyse von wirtschaftlichen Aktivitäten auch in der amtlichen Statistik genutzt werden können.

Literatur

Behncke, N. (2019): Der Konjunkturzyklus und seine Wirtschaftsauswirkungen (thinkaboutgeny.com)

Funke, T. et al. (2016): Eigenschaften und Entwicklung von Kleinstsatelliten. Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress. Berlin.

King, M. et al. (2013): Spatial and temporal distribution of clouds observed by MODIS onboard the Terra and Aqua satellites. In IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing 51 (7), S. 3826–3852.