Presse Weniger Inobhutnahmen wegen unbegleiteter Einreise, mehr wegen Kindesmisshandlung

Pressemitteilung Nr. 308 vom 16. August 2019

Jugendämter leiten 2018 rund 52 600 Inobhutnahmen zum Schutz Minderjähriger ein

WIESBADEN – Im Jahr 2018 führten die Jugendämter in Deutschland rund 52 600 vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (Inobhutnahmen) durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das knapp 8 800 Fälle weniger als im Vorjahr (-14 %). Hauptgrund für diese Entwicklung ist der deutliche Rückgang an Inobhutnahmen von unbegleitet eingereisten Minderjährigen aus dem Ausland um rund 10 300 Fälle (-46 %). Gleichzeitig gab es mehr Schutzmaßnahmen aus anderen Gründen, insbesondere wegen körperlicher und/oder psychischer Kindesmisshandlung: 2018 wurden deswegen über 1 200 Inobhutnahmen mehr durchgeführt als im Vorjahr (+25 %).

Überforderung der Eltern häufigster Grund für Inobhutnahme 

Am häufigsten hatten Jugendämter die vorläufigen Schutzmaßnahmen im Jahr 2018 jedoch wegen Überforderung eines oder beider Elternteile eingeleitet (24 %). Die unbegleitete Einreise aus dem Ausland – im Vorjahr noch der häufigste Anlass für eine Schutzmaßnahme – rückte 2018 an zweite Stelle (16 %). Anzeichen für körperliche und/oder psychische Kindesmisshandlung (8,3 %) waren die dritthäufigste Ursache für eine Inobhutnahme, Anzeichen für Vernachlässigung (8,1 %) die vierthäufigste. Damit standen Kindesmisshandlungen seit Einführung der Statistik 1995 erstmals auf Rang drei der häufigsten Gründe für eine vorläufige Schutzmaßnahme. Bei der Meldung einer Schutzmaßnahme konnten mehrere Anlässe ausschlaggebend sein.

In weit über der Hälfte aller Fälle wurden die vorläufigen Schutzmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen im Jahr 2018 von sozialen Diensten und Jugendämtern angeregt (57 %). In 18 % der Fälle hatten die Jungen oder Mädchen selbst Hilfe beim Jugendamt gesucht. Bei weiteren 12 % der Inobhutnahmen machten Polizei oder Ordnungsbehörden auf die Problemsituation aufmerksam, in 7 % die Eltern(teile) der Minderjährigen. Die übrigen Schutzmaßnahmen (5 %) erfolgten aufgrund von Hinweisen Anderer, etwa von Ärztinnen oder Ärzten, Lehrpersonal oder Verwandten. 

In etwa jedem vierten Fall (24 %) waren die betroffenen Kinder oder Jugendlichen unmittelbar vor der Inobhutnahme von Zuhause (einschließlich Pflegefamilie oder Heim) ausgerissen. Dennoch endeten die meisten vorläufigen Schutzmaßnahmen mit der Rückkehr der Minderjährigen zu ihren Sorgeberechtigten, bisherigen Pflegefamilien oder Heimen (36 %). Erst dahinter folgten Neu-Unterbringungen der Betroffenen in Pflegefamilien, Heimen oder betreuten Wohnformen (30 %).

2 100 Inobhutnahmen nach behördlicher Altersfeststellung abgelehnt

Einer neuen Abfrage der Statistik zufolge war im Jahr 2018 in über 2 100 Fällen eine Schutzmaßnahme nach unbegleiteter Einreise aus dem Ausland aufgrund einer behördlichen Altersfeststellung (§ 42f SGB VIII) abgelehnt worden. Weil die betreffenden Personen als volljährig eingestuft wurden, fließen diese zusätzlichen Fälle nicht in das Gesamtergebnis der Statistik ein. 

Die Jugendämter sind berechtigt und verpflichtet, vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen als sozialpädagogische Hilfe in akuten Krisen- oder Gefahrensituationen durchzuführen. Diese können auf Bitte der betroffenen Kinder, bei einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl oder bei unbegleiteter Einreise aus dem Ausland eingeleitet werden. Bis eine Lösung für die Problemsituation gefunden ist, werden die Minderjährigen vorübergehend in Obhut genommen und gegebenenfalls fremduntergebracht, etwa in einem Heim oder einer Pflegefamilie.

Vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche 2018 nach Anlass der Maßnahme, Geschlecht und Alter
Deutschland 
 InsgesamtMännlich1Weiblich
ins-
gesamt
davon im Alter
(von … bis
unter … Jahren)
zu-
sammen
davon im Alter
(von … bis
unter … Jahren)
zu-
sammen
davon im Alter
(von … bis
unter … Jahren)
unter 1414-18unter 1414-18unter 1414-18
1: Kinder und Jugendliche mit der Signierung des Geschlechts „ohne Angabe (nach § 22 Absatz 3 PStG)“ werden dem männlichen Geschlecht zugeordnet.
2: Doppelzählungen von Kindern/Jugendlichen sind möglich, wenn diese zum Beispiel zunächst vorläufig nach § 42a SGB VIII und im Anschluss noch einmal regulär nach § 42 Absatz 1 Nummer 3 SGB VIII in Obhut genommen wurden.
3:  Für jedes Kind oder jeden Jugendlichen konnten bis zu zwei Anlässe der Maßnahme angegeben werden.
vorläufige Schutzmaßnahmen insgesamt 252 59021 37331 21729 47910 78218 69723 11110 59112 520
Anlass der Maßnahme 374 33032 03742 29340 28416 06024 22434 04615 97718 069
davon: 
Integrationsprobleme im Heim/ in der Pflegefamilie2 9076052 3021 8563451 5111 051260791
Überforderung der Eltern/eines Elternteils17 74310 4907 2538 6235 4533 1709 1205 0374 083
Schul-/Ausbildungsprobleme1 7805431 237900291609880252628
Anzeichen für Vernachlässigung5 9914 6751 3162 8562 3465103 1352 329806
Delinquenz des Kindes/ Straftat des Jugendlichen3 0875502 5372 1473601 787940190750
Suchtprobleme des Kindes/ Jugendlichen2 0102481 7621 2691161 153741132609
Anzeichen für körperliche / psychische Misshandlung6 1573 7082 4492 4321 7506823 7251 9581 767
Anzeichen für sexuelle Gewalt84047536521614571624330294
Trennung oder Scheidung der Eltern71548523030522679410259151
Wohnungsprobleme1 9028961 0061 037441596865455410
unbegleitete Einreise aus dem Ausland12 20194511 25610 0916109 4812 1103351 775
Beziehungsprobleme5 4421 9603 4822 0418281 2133 4011 1322 269
sonstige Probleme13 5556 4577 0986 5113 1493 3627 0443 3083 736

Detaillierte Daten zur Statistik der vorläufigen Schutzmaßnahmen können über die Tabelle Vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche (22523-0001) in der Datenbank GENESIS-Online sowie im Tabellenband abgerufen werden.

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Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe

Telefon: +49 611 75 8141

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